13. Oktober 2009
Veröffentlichungen„Es spricht vieles dafür, dass in einem leeren Kopf Vorurteile besonders blühen.“ (Sir Peter Ustinov)
Inhalte des Artikels
Stereotyp: Begriff & Definition
Der Begriff des Stereotyps kommt ursprünglich aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „starres Muster“. Stereotype sind eine Sammlung von Informationen. Jeder Mensch kategorisiert und systematisiert seine Umwelt, um die Aufnahme und Verarbeitung der von außen auf ihn einwirkenden Reize und Informationen zu erleichtern. Komplexe Informationen werden durch Stereotype reduziert und bestimmte Merkmale generalisiert. Stereotype sind feste Vorstellungen von Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die Menschen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe zugeschrieben werden. Die Wissenschaft unterscheidet zwei Arten von Stereotypen: Heterostereotype und Autostereotype. Heterostereotype sind Stereotype, die sich auf Mitglieder einer fremdkulturellen Gruppe beziehen und der Abgrenzung gegenüber dieser dienen. Autostereotype beziehen sich auf die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe und haben den Anspruch, eine Zugehörigkeit herzustellen. Stereotype können weiterhin unterschieden werden hinsichtlich ihrer positiven und negativen Funktionen. Sie ermöglichen einerseits die Entwicklung eines positiven Selbstkonzeptes der Eigengruppe, andererseits ein negatives Konzept der Fremdgruppe und können damit tendenziell Vorurteile verstärken.
Stereotype und Vorurteile: Unterschiede
Stereotype werden allgemein als „Meinungen“ beschrieben. Werden diese Meinungen nicht ständig überdacht und revidiert, so entstehen Vorurteile. Vorurteile sind im Gegensatz zu Stereotypen von Emotionen begleitet und haben eine wertende Komponente. Die klassische Definition zum Begriff Vorurteil stammt von Gordon Allport. Er definierte Vorurteile als „ablehnende oder feindselige Haltung gegenüber einer Person, die zu einer Gruppe gehört und deswegen dieselben zu beanstandenden Eigenschaften haben soll, die man dieser Gruppe zuschreibt“ (1973: 21). Beim Vorurteil werden Stereotype bzw. Eigenschaftszuweisungen somit mit Bewertungen verknüpft, die das Wahrnehmen, Verhalten und die Interpretation steuern. Dadurch wird deutlich, dass sich Stereotype von Vorurteilen unterscheiden und somit die Begriffe nicht synonymisch verwendet werden sollten.
Begegnungen im interkulturellen Kontext
Bei Begegnungen im interkulturellen Kontext sind Stereotype immer präsent und helfen dem Individuum, komplexe Wahrnehmungen und Informationen zu reduzieren. Da man ihre Entstehung nicht verhindern kann, muss man lernen, mit Stereotypen so umzugehen, dass sie sich nicht zu Vorurteilen verstärken und fossilieren. Auf den Prozess des interkulturellen Lernens können sich Stereotype und Vorurteile hemmend auswirken (vgl. Fuß 1989: 25). Die bewusste Auseinandersetzung ist demnach sehr wichtig, um Stereotype zu relativieren und Vorurteile zu revidieren.
Vorurteile meist negativ
Nach einer Studie von Joshua Correll an der Universität Chicago sind in neun von zehn Fällen Vorurteile negativ. Dies hat er im Jahr 2002 bei einem virtuellen Experiment am PC untersucht. Die Teilnehmer der Studie wurden gebeten, diejenigen Personen auf Fotos zu „erschießen“, die eine Waffe in der Hand trugen. Auf den Bildern waren weiße und schwarze Menschen, entweder mit einem Fotoapparat oder einer Waffe in der Hand, abgebildet. Die Probanden hatten kaum Zeit ihre Wahl zu überdenken. Es zeigte sich, dass die Testpersonen eine schwarze Hautfarbe mit Gefahr in Verbindung brachten, da sie häufiger schwarze unbewaffnete Personen als weiße Unbewaffnete „erschossen“. (Die Welt, 25.07.2009)
Ein anderes Beispiel: Der Psychologe Udo Rudolph an der TU Chemnitz fand heraus, dass Namen eine Fülle an Information beinhalten. So wird allein durch den Namen auf das Aussehen und die Intelligenz einer Person geschlossen. Forschungen der Amerikanerin Bertrand von der Universität Chicago stützen diese Annahme. Sie verschickte verschiedene Bewerbungsunterlagen (in Amerika wie üblich ohne Foto) und verwendete dabei typische Namen für bestimmte Bevölkerungsgruppen. Zum Beispiel Lakisha und Jammal für die schwarze und Emily und Brendan für die weiße Bevölkerungsgruppe. So konnte sie nachweisen, dass Emily und Brendan doppelt so häufig zu Bewerbungsgesprächen eingeladen wurden wie Jammal und Lakisha. (Die Welt, 25.07.2009)
Die Beispiele zeigen deutlich, wie mächtig Vorurteile sind. Sie sind weder witzig noch harmlos. Eine Auseinandersetzung mit ihnen ist notwendig, damit sie die Entscheidungen und das Verhalten eines Individuums weniger beeinflussen.
Literatur:
Allport, Gordon W. Die Natur des Vorurteils. Köln: Kiepenheuer und Wirtsch, 1971.
Fuß, Manfred. Interkulturelles Lernen im nichtkommerziellen Jugendtourismus. Dortmund: Verlag Modernes Lernen Borgmann KG, 1989.
Weik, Sarah: Die Macht des Vorurteils. In: Die Welt, 25.07.2009.
Zitierweise
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IKUD® Seminare (Erscheinungsjahr): „Titel des Textes “, unter: https://www.ikud-seminare.de/LINKNAME.HTML (abgerufen am xy.xy.xxxy).
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